Donnerstag, 16. Dezember 2021

P 57: Wiegen unter Schwerelosigkeit

 Die schwere Masse kann über das Gewicht bestimmt werden. Auf Erde und Mond hat ein bestimmter Körper sicher unterschiedliche Gewichte. Alles wiegt auf dem Mond nur etwa 1/6 von dem was es  auf der Erde wiegt.

Deswegen können Astronauten trotz des über 60 kg schweren Überlebenssystems auf dem Mond hüpfen wie ein Känguru.

Gewichte sind also unterschiedlich, sie hängen von dem anziehenden Himmelskörper ab.

Die schwere Masse eines Gegenstandes bleibt, denn sie bestimme ich ja über eine Balkenwaage durch Vergleich mit einer Normmasse, z.B. dem Ur-Kilogramm.

Dann greifen auf beiden Seiten der Balkenwaage sicher auf dem Mond kleinere Gewichtskräfte an als auf der Erde, aber wenn in jeder Waagschale die gleiche schwere Masse liegt, ist die Balkenwaage trotzdem im Gleichgewicht.

Schwere Massen sind unabhängig vom Ort, auch wenn man sie nicht immer messen kann..

Das bedeutet: In der Schwerelosigkeit der ISS (egal warum sie dort vorliegt) ist eine Balkenwaage wirkungslos...der Balken bleibt in jeder Lage einfach stehen...

Man kann dort also über Gewichte keine schwere Masse bestimmen.

Aber es gibt einen Trick, der eigentlich keiner ist sondern eine der erstaunlichsten Eigenschaften unserer Welt....

10.4 Massen sind träge

Wir können auch ohne Wiegen feststellen, ob eine große oder kleine Masse vorliegt.

Stellt euch eine 1m große Kugel vor. Einmal soll sie aus gelb angestrichenem Styropor bestehen und einmal aus gleich angestrichenem Stahl.

Legt beide Kugeln nebeneinander. Um die Stahlkugel zu erkennen, müsst ihr die Kugeln nicht wiegen, sondern nur anschubsen.

Die massereiche Kugel lässt sich schwer in Bewegung versetzen...sie ist träge.

Das merken auch die Astronauten auf der ISS.

Sie könnten eine Balkenwaage zum Massenvergleich nutzen. Die beiden zu vergleichenden Massen werden in die Waagschalen gelegt und dann wird die Balkenwaage beschleunigt. Die Waagschale mit der größeren Masse bleibt zurück.



Das macht man etwas eleganter, wenn man die Astronauten "wiegen" möchte. Sie legen sich über eine Feder und bringen diese zum Schwingen. Die Schwingungsfrequenz hängt von der Masse ab (wie, lernen wir noch) und kann zur Massenbestimmung benutzt werden.

      (Alexander Gerst "wiegt" sich auf der ISS (NASA)

Halt!

Jetzt müssten Fragen kommen...

Das hat doch nichts mit Wiegen zu tun...sondern das ist doch das, was wir Trägheit nennen:

Massen sind träge, sie widersetzen sich Bewegungsänderungen.

Alle eben genannten Verfahren bestimmen nicht die schwere Masse der Gegenstände, das geht unter Schwerelosigkeit nicht.

Die so bestimmte Masse nennt man deshalb "träge Masse".

Macht euch klar, das mit "schwerer" Masse und "träger" Masse zwei vollkommen unterschiedliche Eigenschaften bestimmt werden.

Die schwere Masse gibt an, wie eine Masse auf Schwerkraft, also auf eine Anziehung durch einen Planeten reagiert.

Die träge Masse gibt an, wie eine Masse reagiert, wenn ich sie beschleunige, abbremse oder ablenke.

Um die schwere Masse eines Körpers zu spüren, muss ich ihn (auf der Erde) anheben...und seine träge Masse zu spüren, muss ich dagegen treten....

Unser Gefühl und Erfahrung sagt ganz klar:

Je schwerer etwas ist, desto träger ist es auch.

Wenn also Astronaut A in der ISS eine größere träge Masse als Astronaut B feststellt, dann wird er auf der Erde sicher auch schwerer sein.

Um den gleichen Faktor?

Und was ist denn nun Masse? Ein Maß für die Stärke einer Anziehung oder ein Maß für die Trägheit oder gar ein Maß für die Materiemenge, wie es in vielen Büchern (falsch) steht?

Konkret: Sind 70 kg schwere Masse genauso viel wie 70 kg träge Masse? Und liegt dann 70 kg Materie vor?

Wir haben noch einiges vor uns....


Dienstag, 14. Dezember 2021

P 56: Das Ur-Kilogramm

 10.3 Massen sind schwer

Früher war die Bestimmung von Massen noch sichtbar. Man benutzte eine Balkenwaage (selbst auf dem Wochenmarkt beim "Auswiegen"). Heute sind Waagen elektronische Geräte, die mit Federn, Dehnungsmessstreifen oder Piezokristallen arbeiten.

Die Grundidee einer Massenbestimmung ist der Gewichtsvergleich:


Man legt die unbekannte Masse auf eine Seite der Balkenwaage und auf die andere so lange genormte Massenstücke ("Gewichte" genannt), bis der Balken waagerecht ist. Dann kann man sicher sein, dass die Massenstücke und die unbekannte Masse gleich stark von der Erde angezogen werden, also die gleiche Masse per Definition vorliegen muss.

Massen sind gleich, wenn sie gleichstark am gleichen Ort von der Erde angezogen werden, sie also gleichviel wiegen.

Man muss nur die Normmasse , die Vergleichsmasse, festlegen, diese ist das Kilogramm. Von 1889 bis 2019 gab es das Ur-Kilogramm, ein Körper aus 90% Platin (wird sehr wenig durch chemische Prozesse verändert) und 10% Iridium (macht das Ganze etwas Härter). Es wurde in Paris aufbewahrt und Kopien in alle Länder der Erde verteilt.


Um eine Kopie herzustellen, braucht man natürlich auch wieder Platin und Iridium und eine Balkenwaage. Wieso die Balkenwaage?

Immer wieder wurden Kopien und Prototyp verglichen. Das Ur-kg schien zu schrumpfen, wodurch auch immer...

Also machte man sich daran, 1 kg neu zu definieren.

2019: Die Neudefinition des kg

Das soll uns hier nur am Rande interessieren:

Man legt das kg über die sog. Plancksche Konstante h fest. Das ist die kleinste Wirkung, die es in unserer Welt gibt. Ihr werdet in Q3 darüber viel erfahren.

Sie hat die Einheit: kg*m²/sec. Ihr Zahlenwert ist inzwischen festgelegt, ebenso kennt man die Festlegung für m und sec. Also kann an den "kg-Anteil" herausrechnen.

Praktisch gibt es dazu zwei Verfahren, die Watt-Waage und das Zählen von Atomen.

Letztlich kann man sagen: 2,15 * 10^25 Si28 Atome bilden eine Masse von 1 kg.

Natürlich zählt niemand diese Atome, sondern auch hier wird letztlich gewogen.

Für uns ist eine Sache sehr wichtig:

Nur über die Schwerkraft haben wir festgelegt, was 1 kg bedeutet.

Wir werden deshalb die so bestimmte Masseneinheit eine schwere Masse nennen.

Fragen: Sind schwere Massen auf dem Mond so groß wie auf der Erde?

            Wie bestimmen Astronauten in der ISS unter Schwerelosigkeit eine schwere Masse? Eine                           Balkenwaage macht da keinen Sinn, oder? 

Überlegt euch mal, wie ein Astronaut unter Schwerelosigkeit mit einer Balkenwaage eine Masse messen könnte, vorausgesetzt er passt auf und macht nichts kaputt....

Was wir gelernt haben: 

Über einen Gewichtsvergleich mittels Balkenwaage (wir werden später lernen, dass Gewichte Kräfte sind, und zwar Schwerkräfte) kann man die schwere Masse eines Körpers bestimmen, wenn denn ein Ur-kg festgelegt ist.

Was wir nicht gelernt haben: 

Was misst denn eigentlich 1 kg? Was IST denn eine Masse...?


Auf zu den nächsten Posts..., Einstein wartet...



Sonntag, 12. Dezember 2021

P 55: Meter und Sekunden

 Teil 2: Einstein denkt über das Fallen nach

Dieser Teil kann auch nach der Behandlung der Newtonschen Axiome durchgearbeitet werden.

Ich habe mich entschieden, das Thema vorzuziehen. Dann muss ich hier rein vom Phänomen her vorgehen, da mir die Newtonschen Formeln nicht zur Verfügung stehen. Aber dadurch machen wir mal etwas vielleicht interessanteres.

Andererseits, wenn wir den Formalismus  in Teil 3 behandeln, können wir gleich kritischer mit dem von Newton verwendeten Massenbegriff umgehen.

10. Mechanische Grundgrößen

10.1 Was haben wir bisher gemacht?

Wir haben gelernt, das man aus dem Startort und der Startgeschwindigkeit mit Hilfe des WZG und des GZG den vorliegenden Bewegungsablauf berechnen kann.

Wir konnten sogar die Bahngleichung des waagerechten und des schiefen Wurfes bestimmen.

Dieses erfolgreiche Vorgehen der Mechanik führte zur Vorstellung, das alle Prozesse der Welt aus Bewegungen bestehen und somit berechenbar sein müssen.

Vor 20 Jahren zeigte sich die Grenze dieser Vorstellung:

Sobald Gesetze und Regeln nichtlinear werden (also Sinus, Wurzeln  oder Quadrate in den Formeln stehen), kann Chaos eintreten. Dann wachsen kleinste Abweichungen extrem (exponentiell) an.

"Das Bewegen eines Schmetterlingsflügels in Brasilien kann in Europa einen Orkan auslösen".

Unsere Welt ist eigentlich chaotisch. Aber seltsamerweise bringt das Chaos immer wieder geordnete, stabile Zustände hervor. Das ist unsere bestimmbare Welt.

Eine andere Grenze der  klassischen Mechanik ist seit 100 Jahren bekannt:

Elementarteilchen haben weder Orte noch Geschwindigkeiten. Bahnen, auf denen sie sich bewegen, gibt es nicht.

Bewegungen sind Erfindungen unseres Gehirnes in der makroskopischen Welt, die es uns bzw. unseren Vorfahren ermöglicht haben, einen Speer so zu werfen, dass er das Wildschein trifft und die Familie ausreichend viel zu essen hat.

Die Mechanik, die wir bisher behandelt haben, dient also nur dazu, unsere makroskopischen Eindrücke der Welt zu beschreiben.

Und dabei haben wir es uns besonders einfach gemacht: Wir haben von "Massenpunkten" gesprochen, also punktförmigen Objekten, die sich ohne Reibung bewegen.

Gänzlich verzichtet haben wir bisher, über die Größen Länge, Zeit und Masse nachzudenken.

Das wollen wir (teilweise) jetzt im Kurs, ergänzt durch Extraseiten nachholen.

10.2 Grundeinheiten für  Länge und Zeit

Wir machen hier nur einige kurze Angaben. Ganze Forschungsinstitute beschäftigen sich mit diesem Thema.

10.2.1 Die Sekunde

Bis 1967 wurde eine Sekunde über astronomische Messungen bestimmt. Sie ist der 86400-te Teil eines mittleren Sonnentages eines bestimmten Jahres. Dann lernte man Zeiten genauer zu messen und erkannte, dass sich die astronomischen Eigenschaften der Erddrehung und der Erdbahn ändern und schwanken.

Seit 1967 definiert man Sekunden mit sog. Atomuhren. In ihnen erzeugen Atome Mikrowellenschwingungen mit einer ganz bestimmten Schwingungszahl pro Sekunde. Man gibt an, nach wieviel Schwingungen eine Sekunde abgelaufen ist: 9.192.631.770 Schwingungen ergeben eine Sekunde.

Mit diesen Atomuhren "kontrolliert" man unsere Zeit (Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig):



Damit kann man bis auf 16 Stellen hinter dem Komma genaue Zeitangaben machen.

Nun haben wir kurz gesehen, wie man Zeiteinheiten festlegt. Aber wir haben nicht darüber gesprochen, was denn Zeit IST.

Da gehen wir später drauf ein.

Aber Einstein gibt uns hier eine einfache Definition: "Zeit ist das, was eine Uhr misst."

Basta.

10.2.2 Das Meter

1793 wurde in Frankreich erstmalig ein Meter festgelegt: 1 m ist der 10 Millionste Teil der Strecke Nordpol - Paris - Erdäquator, also vereinfacht gesagt, ein bestimmter Bruchteil eines Erdumfangs.

Damit man nicht ständig zwischen Nordpol, Paris und dem Erdäquator hin- und herrennen muss, entschloss man sich aus Platin einen festen Maßstab von 1m herzustellen, das Urmeter (Bild).

Später ergab sich, dass das Urmeter zu kurz geraten war und auch die Erde keine Kugel darstellt.

Dann wurde das Meter als Vielfache der Wellenlänge von orangenem Licht von Krypton festgelegt, natürlich so, dass es mit der alten Festlegung übereinstimmte, aber nun besser zu reproduzieren war.

Vor 50 Jahren lernte man die Lichtgeschwindigkeit immer genauer zu messen, bis auf 1 m/sec genau. 1975 wurde dann verabredet, dass ab sofort die Lichtgeschwindigkeit (im Vakuum) nicht mehr gemessen sondern festgelegt wird.

Da auch die Sekunde festgelegt ist, war es nun naheliegend das Meter als die Strecke festzulegen, die ein Lichtstrahl im Vakuum in 1/299 792 458 Sekunde zurücklegt.

Damit haben wir gelernt, wie man die Grundgröße Meter festlegt, aber nicht, was 1 m IST. Einstein sagt uns, dass das, was  wir 1 m nennen, von der Bewegung und dem Gravitationsfeld abhängt.

Dazu in den Zusatzseiten bald mehr...

Im nächsten Post kommen wir dann zum Kilogramm. Aber hier fragen wir auch danach, was denn nun eine Masse von 1 kg ist und nicht nur, wie man 1 kg festlegt.