Warum gibt es die Energieerhaltung? Von Emmi Noether und den Symmetrien

 Energie- und Impulserhaltungssatz werden immer wieder als zentrale Regeln der Physik angeführt.

Aber: Die Unbestimmtheitsbeziehung von Heisenberg ∆x * ∆p = h/2π sagt uns, dass  Ort x und Impuls p eines winzigen Teilchens nicht gleichzeitig beliebig genau existieren (also auch nicht messbar sind).

 ∆x und ∆p sind die Unbestimmtheiten, also die kleinsten möglichen Werte für Ort und Impuls, h ist eine winzig kleine Zahl (6,6*10^(-34) J*sec).

 Eine Folgerung daraus ist:

- Teilchen im Mikrokosmos besitzen die Eigenschaft Impuls nicht.

- Im Rahmen der Heisenbergschen Formel kann der Impulserhaltungssatz sogar verletzt sein.

Eine vergleichbare Unbestimmtheitsbeziehung gilt auch für Energie E und Zeit t:

∆E* ∆t = h/2π

Das bedeutet:

- Kleine Objekte  besitzen  die Eigenschaft Energie nicht zu einer bestimmten Zeit.

- Der Energieerhaltungssatz kann für die Zeit ∆t um den Wert ∆E verletzt sein.

Wir behandeln also in der Schule zwei Erhaltungssätze ausführlich, die noch nicht einmal wirklich allgemeingültig sind.

Andere Erhaltungssätze, die wirklich immer gelten, werden dagegen nicht erwähnt, obwohl sie mindestens die gleiche Bedeutung haben.

Auf einige möchte ich kurz eingehen:

Erhaltungssatz der elektrischen Ladung:

Diese Regel bestimmt grundlegend und ausnahmslos alle Mechanismen der Natur. Mit jedem Elektron muss eine positive Ladung entstehen. Wenn sich z.B. bei der Paarerzeugung ein Photon in ein Elektron umwandelt, muss auch ein Positron entstehen. Das Positron ist das Antiteilchen zum Elektron. Der Ladungserhaltung würde auch die Entstehung eines Protons genügen. Aber es gibt noch zwei weitere Erhaltungssätze, die das ausschließen:

Baryonenerhaltung: Es kann sich kein einzelnes Proton bilden, mit jedem Proton muss auch ein Antiproton entstehen.

Leptonenerhaltung: Elektronen und Positronen sind Leptonen. Entsteht ein Elektron, so gleicht die Entstehung eines Positrons das aus, die Menge aller Leptonen bleibt gleich.

Aber auch der berühmte Betazerfall zeigt uns einen weiteren Erhaltungssatz auf, der die Entstehung eines Elektronenneutrinos fordert.

Es ist schade, dass diese Erhaltungssätze im Unterricht noch nicht einmal erwähnt werden und dass Energie- und Impulserhaltungssätze als umumstößliche Pfeiler der Physik dargestellt werden. Sind sie aber nicht, denn sie ruhen auf sehr unbestimmten Füßen...

Natürlich kann man nicht auf viele der weiteren, mindestens ebenso bedeutenden Erhaltungssätze eingehen, wie Erhaltung der Hyperladung, des Isospins, der Strangeness, der Parität...usw. Dazu muss man tiefer in die Elementarteilchenphysik einsteigen.

Aber einen Hinweis empfinde ich als äußerst wesentlich:

Erhaltungssätze fallen nicht einfach vom Himmel, sondern sie sind Ausdruck einer inneren Symmetrie der Natur.


Das hat schon 1918 die geniale Mathematikerin Emmy Noether (1882-1935) allgemeingültig bewiesen. In gut 100 Jahren hat diese Erkenntnis leider kein Einzug in das Grundlagenwissen über die Welt erhalten.

Jeder Erhaltungssatz entsteht durch eine Symmetrie in den Naturgesetzen.

Der Energieerhaltungssatz ist eine äquivalente Formulierung der Zeitsymmetrie unserer Welt:

Solange sich die physikalischen Bedingungen eines Körpers zeitlich nicht ändern (man kann ohne Folge t durch t+t´ in den Gleichungen ersetzen), bleibt seine Energie erhalten. Das Buch auf meinem Schreibtisch behält seine potenzielle Energie, solange sich nicht die Gravitationskonstante ändert.

Energieerhaltung hängt also an der Symmetrie der Zeit.Das hat auch kosmische Konsequenzen: Ein expandierendes Universum ist nicht mehr zeitsymmetrisch, denn es ändert sich mit der Zeit.Deshalb kann die Gesamtenergie in unserem Kosmos nicht erhalten bleiben.(Hinweis: Es gibt aber eine Erhaltungsgröße, das ist der Energie-Impuls- Vierervektor).Das heißt, man reitet in der Schule auf einer Regel herum, die im Mikrokosmos verletzt ist und auf den Kosmos als Ganzes gar nicht anwendbar ist...na toll...

Die Homogenität der Zeit ist die Energieerhaltung.


Impulserhaltung ist äquivalent zur Symmetrie des Raumes: Zwei zusammenstoßende Münzen verhalten sich überall so und prallen in verschiedene Richtungen ab, unabhängig vom Ort des Zusammenstoßes.

Die Homogenität des Raumes ist die Impulserhaltung.

Dass die Naturgesetze nicht von der Richtung im Raum abhängen, ist die Isotropie des Raumes und das ist die Drehimpulserhaltung.

Die der Ladungserhaltung zugrunde liegende Symmetrie behandelt man oft in der Schule:

Die Angabe der Potenziale (einen Potenzialunterschied nennen wir Spannung) erfordert einen Bezugspunkt. Beim Gravitationspotenzial  ist das häufig die Meereshöhe.

Physikalisch wirkungsvoll sind aber nur die Potenzialdifferenzen (Höhenunterschiede bestimmen, ob ich mir beim Fallen weh tue, elektrische Spannungen bestimmen, ob ich einen Schlag spüre). Das ist die Ladungserhaltung.

Diese Zusammenhänge zwischen Erhaltungsgrößen und Symmetrien hat Emmy Noether ganz allgemein gültig bewiesen. Sie hat dabei Wirkungen untersucht und konnte zeigen:Wenn sich die Wirkungen eines Systems im Laufe der Zeit nicht ändern, dann muss die Energie erhalten sein. Wenn die Wirkungen nicht vom Ort abhängen, also beim Verschieben gleich bleiben, dann muss der Impuls erhalten sein.Wenn die Wirkungen nicht von der Richtung abhängen, also bei Drehungen gleich bleiben, dann muss der Drehimpuls erhalten bleiben.
Die Erhaltungssätze sind also keine Erfahrungssätze, sondern sie lassen sich aus grundlegenden Symmetrien der Natur exakt herleiten. Und wenn diese Symmetrien verletzt sind, gelten auch die Erhaltungsgesetze nicht mehr.


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