Mittwoch, 30. März 2022

P 110: Unsichtbar und dennoch da?

 19.6 Dunkle Materie

Wir haben gelernt, dass das Gravitationsgesetz das Verhalten der Materie von cm bis hin zu vielen tausenden von Lichtjahren beschreibt.

Aber es gibt auch Abweichungen. Von denen möchte ich kurz berichten:

Problem 1: Galaxienhaufen sind noch da...

Die Galaxien in Galaxienhaufen schwirren so schnell hin- und her, dass diese Ansammlungen von Galaxien sich schon längst aufgelöst haben müssten. Das hat schon der Schweizer Physiker Fritz Zwicky (1898-1874) im Jahr 1933 erkannt und vermutet, dass die Galaxienhaufen durch riesige Mengen an nicht leuchtender und deshalb unsichtbarer Materie zusammengehalten werden.

Bild Galaxienhaufen (HST/NASA)


Problem 2: Galaxien drehen sich viel zu schnell

So schnell, dass sie sich schon aufgelöst haben müssten...

Man erklärt die hohen Drehgeschwindigkeiten in den Außenbereichen der Galaxien durch Halos (Umgebungen) aus nicht leuchtender und damit unsichtbarer Materie.

Problem 3: Wie so gibt es diese Welt überhaupt?

Beim Urknall gab es winzige Dichteschwankungen, aus denen sich die heutigen Galaxien entwickelt haben müssen. Gäbe es nur die durch das Gravitationsgesetz beschriebene Schwerkraft, wäre der Kosmos immer noch dabei, ganz langsam Verdichtungen aufzubauen, die vielleicht mal in einigen Milliarden Jahren zu Galaxien werden. Galaxien aber gab es schon 500 Millionen Jahre nach dem Urknall.

Bild Dichteschwankungen 400 000 Jahre nach dem Urknall, Stärke 1:100 000 (ESA)


Und das ist heute daraus geworden: Verteilung der Galaxien bis zu 2 Milliarden Lichtjahren Entfernung (SDSS):


Dieses schnelle Wachstum der Galaxien geht nur durch riesige Ansammlungen nicht leuchtender Materie.

Die Lösung: Es gibt etwas, was man nicht sieht....

Alle Probleme lassen sich lösen, in dem man nicht leuchtende Materie annimmt, in die Galaxien und Galaxienhaufen eingebettet sind, und die eine enorme Schwerkraftwirkung ausübt.

Man kann diese drei Probleme auch durch Abänderungen des Gravitationsgesetzes lösen, aber es müssten jeweils andere sein. Dann aber würden Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht mehr verständlich sein.

Deswegen gehen die meisten Forschenden von der Existenz dieser Dunklen Materie DM aus.

Das einzige Problem: Trotz jahrzehntelanger Suche hat man noch keinen direkten Nachweis gefunden.

Die Objekte aus denen DM besteht, erzeugen Schwerkraft, aber sie reagieren sonst fats überhaupt nicht mit anderen Feldern und Strahlungen.

DM muss sechsmal (!) häufiger sein als die normale Materie und sie macht immerhin 25% der gesamten Substanz unseres Kosmos aus. Da die ebenfalls nicht näher bekannte Dunkle Energie etwa 71% der kosmischen Substanz ausmacht, bilden die etwa 300 Milliarden Galaxien aus jeweils 300 Milliarden Sternen mit Billionen von Planeten nur etwa 4% der Substanz des Kosmos.

Wir sehen nur die Spitze eines gigantischen Eisberges!

Bild DESY



Viele Forschenden versuchen die Objekte der DM direkt auf der Erde nachzuweisen:


Das Video habe ich 2015 bei einem Besuch des Experimentes DEAP 3600 im kanadischen Untergrundlabor SNOLAB in 2100 m Tiefe gedreht, es ist ein Ausschnitt eines längeren Dokumentarfilmes. Man glaubte sich kurz vor dem Nachweis der DM...aber es gab dazu seit fast 7 Jahren keine passende Erfolgsmeldung....



Mit dem nächsten Post fangen wir ein weiteres Kapitel der Drehbewegungen an, etwas stärker am Lehrplan orientiert.


Montag, 28. März 2022

P 108: Gravitationskonstante: Ist sie wirklich konstant?

 19.5 Die Gravitationskonstante

Letztlich hat Newton ja "nur" herausgefunden, dass die Schwerkraft proportional zu M*m/r² ist.

Die Proportionalitätskonstante G, die Gravitationskonstante, konnte er nicht angeben, da er seiner eigenen (guten!) Massenschätzung der Erde nicht getraut hat.

Über  100 Jahre später, 1798 war die Messtechnik so verbessert, dass Cavendish eine Gravitationswaage bauen konnte, mit der er die Schwerkraft zwischen Massen direkt messen konnte.

Er wollte eigentlich nur die mittlere Dichte der Erde bestimmen, die Gravitationskonstante war ein By-Produkt.

Die Grundidee: Man hänge zwei Massen (Bleikugeln mit etwa 0,1 kg) an einer Balkenwaage auf, die über einen Torsionsfaden gehalten wird.

Bringt man nun  zwei größere Massen so an, dass sie die kleinen Massen anziehen und den Draht verdrillen, so kann man aus der Drehung das Drehmoment und damit die Gravitationskraft berechnen.

Die geringen Drehbewegungen macht man über einen Spiegel sichtbar, der an dem Faden befestigt ist.

Ein von ihm reflektierter Lichtstrahl vergrößert die Bewegung, man sieht den Lichtfleck auf einer weit entfernten Wand richtig wandern.

Die Auswertung ist nicht einfach, insbesondere wenn man G aus der Periodendauer eine Schwingung bestimmt.

Schüler von mir haben aber folgendes Experiment aufgebaut:

An einem dünnen Stahldraht, der durch sehr langes Hängen mit einer großen Masse entdrillt wurde, haben sie den Versuch nachgebaut. Als Masse haben sie zwei große Tonnen mit Wasser genommen und kleine Kugeln an eine selbstgebaute Balkenvorrichtung gehängt.

Sie konnten wirklich, verstärkt durch einen Lichtzeiger, die Drehbewegung sichtbar machen.

Die Bilder aus wikipedia zeigen schön die Idee und den originalen Versuchsaufbau:




Ein sehr schönes Video hierzu:


Auch auf leifiphysik wird das sehr gut erklärt:

https://www.leifiphysik.de/mechanik/gravitationsgesetz-und-feld/versuche/gravitationsdrehwaage

Messung der Gravitationskonstante

Lange Zeit war es auf diese Art nur möglich, Gravitation bei großen Massen und größeren Abständen zu bestimmen.

Aber wie verhält sich Gravitation im Abstandsbereich unter einem mm?

Ein ehemaliger Schüler von mir (Jonas Schmöle) hat dazu die Machbarkeitsstudie eines Experimentes entwickelt, das inzwischen auch durchgeführt wurde. Er erhielt 2018 den Hans-  Thirring - Preis der Universität Wien.

Die Durchführung hat dann Prof. Aspelmeyer in Wien gemacht: Er hat mit Massen von 91 mg und Abständen von wenigen mm gearbeitet und damit die Gravitationskonstante bestimmt.

Die Bewegungen fanden im Naometer-Bereich statt, die Kräfte lagen bei einem Billionstel Newton.

Sein Wert lag etwa 9% unter dem bisher angenommenen Wert. Ob das Zufall ist oder ob die Gravitation für kleine Massen und Abstände kleiner wird, das will er mit Messungen im atomaren Bereich herausfinden.

Die Bilder zeigen den Aufbau seiner Apparatur als Skizze und im Original (Universität Wien, nature)


Und zum Schluss noch mal der Literaturwert (für große Massen und Abstände):

G = 6,67 * 10^(-11)  N/kg² * m²

Im nächsten Post erfahren wir, dass das Gravitationsgesetz nicht jedes Verhalten von Massen deuten kann und dass man zu seiner Rettung eine Dunkle Materie erfinden muss....

Übrigens: Es lohnt sich noch mal in das Kapitel 11 zu schauen: "Was ist Masse?"




Sonntag, 27. März 2022

P 107: Wie weit ist der Mond entfernt?

 19.4.3 Bestimmung der Entfernung  Erde-Mond

Ich möchte zwei grundlegende Methoden kurz vorstellen.

Beginnen wir mit der einfachsten Methode, einer Laufzeitmessung:

- Fliege zum Mond und stelle dort einen großen Spiegel auf.

- Nimm einen schnell gepulsten (warum?) Laserstrahl und lenke ihn über ein Fernrohr auf den Spiegel, der auf dem Mond ist.

- Miss die Zeit zwischen Absenden eines Laserpulses und Registrieren des reflektierten Pulses.

- Multipliziere die Hälfte  (warum?) dieser  Zeit mit der Lichtgeschwindigkeit und du hast die Entfernung zwischen Fernrohr und Spiegel.

- Aus der so erhaltenen Entfernung kannst Du über den Winkeldurchmesser der Mondscheibe leicht den Durchmesser des Mondes bestimmen und damit ist Dir der Abstand der Mittelpunkte von Erde und Mond bekannt. 

Das wird heute so gemacht. Schon die ersten Astronauten von Apollo11 hatten deshalb 1969 einen großen Spiegel dabei....Man spricht von lunar laser ranging...die Dauer der Laserpulse liegt bei 200 Picosekunden, die Laufzeit des Pulses bis zur Registrierung liegt bei etwa 2,6 Sekunden.


Damit kann man die Mondentfernung auf etwa einen Zentimeter  genau vermessen.

Der mittlere Wert liegt bei 384400 km. Da die Mondbahn eine Ellipse ist, kommt der Mond uns bis zu 356 400 km nahe. Sein größer Abstand liegt bei 406800 km.

Für unsere Mondrechnung arbeiten wir mit dem Mittelwert, da wir ja eine Kreisbahn annehmen.

Die zweite Methode beruht auf der sog. Parallaxe:

Man peilt den Mond aus unterschiedlichen Orten der Erde aus an und bestimmt die Winkelverschiebung gegen den Hintergrund der weit entfernten Sterne.

Ihr könnt die Idee leicht selbst ausprobieren:

Streckt euren Arm aus und peilt einen Finger mal mit dem rechten, mal mit dem linken Auge an. Ihr seht, wie der Finger sich vor dem entfernten Hintergrund verschiebt. Die Verschiebung wird um so größer, je näher ihr den Finger an das Auge holt.

Jede Parallaxenmessung benötigt eine bekannte Basislänge. Bei euch wäre das der Abstand der Augen.

Für die Mondentfernung muss man eine Strecke auf der Erde wählen, dazu muss der Erdradius bekannt sein und die Erde auch vermessen sein.

Die Trigonometrie dazu ist nicht einfach.

Das wird für euch keine Rolle im weiteren Unterricht spielen, deswegen gehen wir nicht näher darauf ein.

Aber in leifiphysik habe ich eine sehr gut vorgerechnete Methode gefunden:

https://www.leifiphysik.de/astronomie/sternbeobachtung/ausblick/mondentfernung-durch-triangulation

Zur Mondentfernung

Das Bild dazu solltet ihr euch auf alle Fälle mal ansehen, dann wird die Methode im Prinzip klar:


Damit haben wir jetzt alle Daten zusammen, die man zur Ausführung der Newtonschen Mondrechnung braucht.

Um aber die Gravitationskraft selbst Ausrechnen zu können, benötigt man die Gravitationskonstante. Wie diese gemessen wir, erkläre ich im nächsten Post.