Donnerstag, 30. Dezember 2021

P62: Wenn die Raum-Zeit mit der Materie redet

...dann sagt sie ihr, wie sie sich zu bewegen hat... 

11.5 Masse krümmt die Raum-Zeit

Wenn ich ein Blatt Papier krümme, dann verbiege ich es in die dritte Dimension.

Deshalb ist es üblich Raumkrümmungen als zweidimensionales Beispiel zu veranschaulichen:

Wir verbiegen eine Fläche in den Raum hinein. Eine nicht gekrümmte Fläche nennt man euklidisch. Hier gilt die uns bekannte Schulgeometrie, die euklidische Geometrie: Die Summe der Innenwinkel eines Dreiecks ist 180°.

Eine positiv gekrümmte Fläche, wie z.B. die Oberfläche einer Kugel, hat Dreiecke mit einer Summe der Innenwinkel von mehr als 180°.

Bei einer negativgekrümmten Fläche (Teile eines Pferdesattels) ist die Summe kleiner als 180°.



Einstein hat nun in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie ART gezeigt, das Materieansammlungen, also (schwere) Massen den Raum krümmen. Andere Massen bewegen sich dann in dem gekrümmten Raum so wie wir es beobachten.

Die Gravitation ist also keine Kraftwirkung, sondern einfach eine Auswirkung des gekrümmten Raumes auf die Bewegungen im Raum.

Wenn ich auf der Erdoberfläche herumlaufe, muss ich auch deren Krümmung folgen und kann nicht einfach tangential zur Oberfläche losgehen...

Wir haben eine richtige Kopplung: Massen krümmen den Raum und der gekrümmte Raum schreibt den Massen ihre Bewegungen vor.

Wie formuliert das Einstein?

Die Materie sagt der Raum-Zeit, wie sie sich krümmen soll.

Die Krümmung der Raum-Zeit sagt der Materie, wie sie sich bewegen soll.

Das ist in dem folgenden Bild schön symbolisiert:


Ich möchte jetzt einige der Effekte der Raumkrümmung kurz aufzählen:

- Raumkrümmung erzeugt Gravitation: Je stärker die Krümmung desto stärker die Wirkung

- Raumkrümmung verlangsamt die Zeit: In der Nähe großer Massen verläuft die Zeit langsamer

- Raumkrümmung lenkt Licht ab: Dadurch entstehen Gravitationslinsen, durch die wir weit entfernte Galaxien hell erkennen können. Auch Eddington hat 1919 bei einer totalen Sonnenfinsternis diese Wirkung, von Einstein vorhergesagt, durch Beobachtung bestätigt. Einstein wurde dadurch zu einem weltweiten Medienstar!

- Zu stark gekrümmter Raum bewirkt Schwarze Löcher

- Planetenbahnen "eiern" durch die vom Gravitationsfeld der  Sonne hervorgerufenen zusätzlichen  Raumkrümmung (Ja, ihr habt richtig gelesen: Gravitation erzeugt Gravitation, die Schwerkraft hat ein eigenes Gewicht....).. Der Effekt war schon vor Einstein beobachtet worden (Periheldrehung des Merkur), aber erst Einstein konnte ihn mit der ART berechnen:"Ich war tagelang außer mir vor Freude. Nun wusste ich, dass meine Theorie stimmt".

- Gravitationswellen sind sich ausbreitende Raumkrümmungen, die beim Kollaps großer Massen entstehen.

Eine Anwendung nutzen wir täglich: Unsere Navigationssysteme im Auto oder auf dem Handy vergleichen Zeiten in den GPS-Satelliten mit denen auf der Erde. Wegen der Relativbewegung des Autos zum Satelliten gibt es eine Zeitdilatation (Verzögerung). Das ist die Spezielle Relativitätstheorie (SRT).

Da der Satellit aber in großer Höhe ist, also in einem schwächeren Gravitationsfeld, läuft in ihm die Zeit schneller als bei uns hier unten. Das ist die ART.

Die beiden gegenläufigen Effekte der ART und SRT heben sich nicht auf. Deswegen muss jedes Navi sowohl die SRT als auch die ART anwenden, um die genaue Position zu bestimmen.

Würde das nicht gemacht, dann hätte man jeden Tag einen um 30 km anwachsenden Fehler....nach zwei Wochen weiß man lediglich noch, dass man in Deutschland ist...

Fazit:

Damit hat Einstein die Wirkung der (schweren) Masse auf eine Wechselwirkung mit Raum und Zeit zurückgeführt. Auch hier ist die Masse keine dem Körper innewohnende Eigenschaft.

Es bleibt aber die am Ende des letzten Post gestellte Frage unbeantwortet...

Noch eine Anmerkung zum Schluss dieses Posts:

Einstein selbst hat die Raumkrümmung so veranschaulicht, wie wir es getan haben, als eine Krümmung in etwas hinein.

Aber das ist nur eine, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit falsche, Vorstellung. Die gleichen Effekte erhält man einfach auch durch Ändern der Koordinatensysteme, der Metrik.

Darauf gehe ich aber nur in den Zusatzseiten ein.

Gebt mir ein paar Tage...

Hier möchte ich euch im nächsten Post noch das Äquivalenzprinzip vorstellen.

Aus ihm folgert Einstein die hier genannten, so seltsam klingenden Eigenschaften.

Und dann lassen wir endlich den Newton aus der Gruft...aber anders als eure Lehrer/innen sich das denken...


Ein Bild kann ich mir nicht verkneifen:


Einen guten Rutsch ins neue Jahr, vor allem viel Gesundheit...

Bis 2022...dann geht es weiter...


Mittwoch, 29. Dezember 2021

P 61: Zäh wie Schleim

 11.4 Wie Masse entsteht

Am 4.7.2012 gaben die Forschenden des größten Experimentes, das die Menschheit je gemacht hat, die Entdeckung eines neuen Elementarteilchens bekannt. Es wurde am LargeHadronCollider LHC in Genf nach jahrelanger Suche gefunden. Es hat eine Masse von etwa 130 Protonenmassen.

Der britische theoretische Physiker Peter Higgs (*1929) hatte die Existenz dieses Elementarteilchens 1964 zusammen mit dem Belgier Francois Englert (*1932) sowie Robert Brout (1928-2011) logisch begründet und vorhergesagt.

Higgs (rechts im Bild)  und Englert  erhielten dafür am 8.10.2013 den Nobelpreis für Physik.


Was hat das mit unserem Thema Masse zu tun?

Das sogenannte Standardmodell der Elementarteilchenphysik hatte eine sehr seltsame Schwäche: Es konnte keinerlei Masse für die Bausteine unserer Welt angeben, ja eigentlich waren alle Elementarteilchen masselos.

Vor 60 Jahren aber entstand eine schier unglaubliche Idee: Unser gesamtes Universum ist mit einem Feld erfüllt, dem Higgs-Feld, wie man es heute nennt.

Ein Feld ist nichts anderes, als eine Eigenschaft in Raum und Zeit: Zu jedem Zeitpunkt und an allen Stellen gibt es diese Eigenschaft. Wir kennen elektrische Felder, Magnetfelder und das Gravitationsfeld.

Diese drei Felder sind alle gerichtet, die Kräfte, die sie ausüben zeigen zu Ursachen des Feldes, den Ladungen, den Magneten, den Massen.

Das Higgs-Feld ist ein sog. Skalarfeld, es hat keine Richtung...man kann es sich wie einen riesigen Schleim vorstellen, der gleichmäßig den gesamten Kosmos erfüllt.

In diesem Schleim müssen sich die masselosen Elementarteilchen bewegen. Das behindert sie.

Wir merken dass...die Teilchen sind träge, sie haben eine träge Masse. Und somit ist auch unsere Masse die Konsequenz daraus, dass sich die Bestandteile unserer Körper durch diesen Higgs-Schleim bewegen müssen.

Jedes Elementarteilchen koppelt nun auf eigene Weise an den Higgs-Schleim. Je stärker die Kopplung, desto träger ist es. Neutrinos koppeln wenig, Elektronen mehr, Lichtteilchen (Photonen) gar nicht...deshalb kann Licht so schnell sein.

Und weniger koppeln als gar nicht, geht nicht..deswegen ist nichts schneller als Licht.

Geht Licht durch Glas durch, koppelt es an die Atome und wird langsamer. Das führt zur Brechung.

Was ist nun das Higgs-Teilchen?

Jedes Feld (wahrscheinlich geht das nicht beim Gravitationsfeld) kann sich auf einen Raumpunkt zusammenziehen und dort ein Wechselwirkungsteilchen erzeugen. Das ist beim Higgs-Feld das Higgs-Teilchen.

Es gibt eine wunderschöne Veranschaulichung dieses Vorgangs (Bilder: CERN, Die Weltmaschine):

Stellen wir uns eine Party mit vielen Menschen vor, einige von uns können sich vielleicht noch an so etwas aus der Vor-Corona-Zeit erinnern...

Diese Menschen stellen das Higgs-Feld dar. Sie erfüllen den ganzen Raum.

Jetzt kommt eine bekannte Person zur Tür herein. Das ist ein masseloses Elementarteilchen.

Die Partygäste umringen diese Person, sie kann sich weniger gut durch den Raum bewegen. Sie wird träge.

So entsteht die Masse dieser Person. Das Elementarteilchen ist träge, bekommt  eine messbare Masse.


Man kann aber auch einfach ein Gerücht in diesen Raum hineingeben. Die Partygäste geben es tuschelnd weiter und bilden kleine Konzentrationen von Menschen. Das wäre dann die Veranschaulichung des Higgs-Teilchens. Da auch diese Menschengruppierungen sich nur langsam durch den Raum bewegen (das Gerücht breitet sich langsam aus), erkennen wir auch dort eine Trägheit, also eine träge Masse. Das ist die gemessene Masse des Higgs-Teilchens.



Mehr wollen wir hier nicht machen.

Was sollt ihr mitnehmen?

Masse ist keine innere Eigenschaft der Objekte, sondern das Ergebnis von Wechselwirkungen:

Elektronen können mit den Atomen von Halbleitern in Wechselwirkung treten und erscheinen uns massereicher (das nennen wir effektive Masse)

Elementarteilchen wechselwirken mit dem Higgsfeld, vermittelt durch das Higgs-Teilchen, und erhalten ihre Masse. Das nennen wir träge Masse.

Was bleibt, ist der Begriff der schweren Masse.

Im letzten Post dieses Kapitels möchte ich zeigen, dass auch die schwere Masse  das Ergebnis einer Wechselwirkung ist, der Wechselwirkung mit Raum und Zeit.

Dass die Wechselwirkungen von Objekten dieser Welt mit dem Higgs-Feld und mit Raum und Zeit zueinander proportional sind (also träge und schwere Masse gleich groß sind), bleibt eines der großen Geheimnisse unseres Kosmos.

Eure Generation oder die eurer Kinder muss das erklären...