Mittwoch, 1. Juni 2022

P 130: Eigentlich kann es unsere Galaxis nicht geben...

 22.5.2 Kepler und die Dunkle Materie

Auch unsere Galaxis besteht zum größten Teil aus nicht sichtbarer Dunkler Materie DM.

Woher wissen wir das?

In den Außenbereichen dreht sich unsere Galaxis so schnell, dass durch die Fliehkraft alle Sterne schon längst weggeflogen wären, würden sie nur von den anderen sichtbaren Sternen angezogen. Unsere Galaxis hätte sich ohne DM schon längst aufgelöst....

Die Sterne  werden also von DM auf ihrer Bahn gehalten.

Die Beobachtungen dazu wurden von der Astronomin Vera C. Rubin (1928-2016) durchgeführt. 1962 stellte sie einer ihrer Studentengruppen die Aufgabe, eine Rotationskurve von unserer Galaxis zu messen.






In dieser Kurve soll die Rotationsgeschwindigkeit für verschiedene Abstände vom Zentrum bestimmt werden.

Wieder geht das nur, in dem man die Farbveränderungen beobachtet, die durch die Rotationsbewegungen von leuchtenden Gasen entstehen (Dopplereffekt: zeigt der Geschwindigkeitsvektor von uns fort, beobachtet man eine Rotverschiebung, ansonsten eine Blauverschiebung).

Was war zu erwarten?

Wäre unsere Galaxis eine starre rotierende Scheibe, so würde die Rotationsgeschwindigkeit v proportional zum Abstand r ansteigen: v = ω * r.

Die Formel kennen  wir.

Würden alle Sterne wie Planeten um eine zentrale Masse kreisen (Kepler Rotation) so gilt (siehe Post 127):

v = √ ( G * M / r), d.h. die Rotationsgeschwindigkeit nimmt mit der Wurzel aus dem Abstand ab.

Auch diese Formel haben wir hergeleitet.

Was haben Rubin und ihre Studenten gesehen?

In den äußeren Bereichen bleibt die Rotationsgeschwindigkeit nahezu konstant, vollkommen unerwartet..


Das kann nur so erklärt werden, dass weit außen, also da, wo man keine Sterne mehr sieht, große Mengen an DM die schnelle Rotationsbewegung der Sterne verursachen.

Als nächstes (1970) bestimmte sie die Rotationskurve der Andromedagalaxie, unserer großen Nachbargalaxie:

Im Zentrum rotiert sie wie eine starre Scheibe, dann gibt es einen kleinen Bereich mit Kepler Rotation und ab da geht es ab...die DM macht Dampf!



In den Jahren danach hat Rubin die Rotationskurven von vielen anderen Galaxien  bestimmt und immer wieder das gleiche Ergebnis gefunden:


In einer Veröffentlichung von 1980 schreibt sie:

"The conclusion is inescapable that non-luminous matter exists beyond the optical galaxy.”

Die Entdeckung Zwickys fast 50 Jahre vorher konnte sie als allgemeines Gesetz bestätigen.

Sie hat die DM nicht entdeckt. Als Rubin ihre Ausbildung begann, war die Idee der DM schon da. Aber sie hat zweifelsfrei die Existenz von DM in den Galaxien nachgewiesen.


Heute vermuten wir, dass DM einen entscheidenden Anteil an der Bildung von kosmischen Strukturen hat. DM bildet ein Netzwerk im Kosmos (das auch beobachtet wird), an deren Knoten sich die sichtbare Materie angelagert hat, konzentriert wurde und Sterne und Galaxien gebildet hat.

Wir leben und sind gefangen in einem gigantischen Netzwerk aus Dunkler Materie.

Alles, was wir über die Gravitation und Kreisbewegungen in diesem Kurs gelernt haben, ermöglicht es uns, diese Erkenntnis nachzuvollziehen.

Die Formel für einen waagerechten Wurf werdet ihr wahrscheinlich nach der Schule nie wieder brauchen, die Erkenntnis in einem Netz aus unsichtbarer Materie zur Existenz gekommen zu sein, solltet ihr nie wieder vergessen.

Das Bild zeigt eine Computersimulation der Strukturbildung im Kosmos durch DM.


Nächste Woche beginnt der letzte große Abschnitt: Schwingungen

Sie spielen in vielen Bereichen der Physik in Q2 und Q3 eine große Rolle. Wir werden das Thema vor allem an Schallschwingungen und Musikinstrumenten entwickeln.


Dienstag, 31. Mai 2022

P 129: Ich sehe was, was Du nicht siehst...

 22.5 Dunkle Materie

22.5.1 Entdeckung durch Zwicky

Fritz Zwicky( 1898 - 1974) war ein später in Amerika lebender Schweizer Astronom. Er führte als erster Supernovae auf einen Gravitationskollaps zurück und vermutete Neutronensterne als Folgeobjekte. Einstein untersuchte Sterne als Gravitationslinsen und verwarf die Idee, Zwicky zeigte, dass Galaxien Gravitationslinsen sein können.


 Die bedeutendste und folgenschwerste Idee hatte er 1933. Als Erster benutzte er den Virialsatz bei der Untersuchung von Galaxienhaufen und entdeckte dadurch die Dunkle Materie.

Zum Virialsatz:

Der Virialsatz stellt einen Zusammenhang her zwischen der kinetischen Energie und der potenziellen Energie eines Systems.

Wer sich mehr darüber informieren möchte, sollte einen  Post im Physik Blog lesen:

https://www.natur-science-schule.info/post/der-virialsatz-grundlegender-als-energieerhaltung

Vertiefung: Virialsatz

 

In Galaxienhaufen  ist der Mittelwert der kinetischen Energie Wkin aller Galaxien bestimmt durch den Mittelwert der potenziellen Energien Wpot.:

Wkin = -1/2*Wpot

Mit recht guter Näherung kann man die potenzielle Energie durch die Größe (Radius R) und die Masse M des Galaxienhaufens ausdrücken:

Wpot = G*M²/R, wobei G die Gravitationskonstante ist.

Um die mittlere kinetische Energie zu bestimmen, braucht man aber die Geschwindigkeit:

Für eine Galaxie der Masse m ist Wkin =1/2*m*v².

Galaxienhaufen sind aber so weit entfernt, dass wir direkt keinerlei Bewegungen erkennen können.

Aber Zwicky bestimmte die Bewegung über den sog. Dopplereffekt: Das Licht bewegter Galaxien ist röter, wenn sie sich von uns entfernen und bläulicher, wenn sie auf uns zukommen.


Der von Zwicky untersuchte Comahaufen, NASA
Jeder Lichtfleck ist eine Galaxie


 So, was musste er tun?

- Von möglichst vielen Galaxien eines Galaxienhaufens über den Dopplereffekt die Geschwindigkeit messen.

- Mittelwerte bilden.

- Damit über die bekannte mittlere Masse einer Galaxie die mittlere kinetische Energie berechnen.

- Über den Virialsatz erhält er dann die potenzielle Energie des Haufens.

- Zwicky hat mit dem Comahaufen gearbeitet. Über die Beobachtung von bestimmten veränderlichen Sternen, den Cepheiden,  in einzelnen   Galaxien war dessen Entfernung bekannt. Aus der Winkelausdehnung am Himmel konnte man somit   den Radius des Haufens berechnen. 

- Damit konnte Zwicky aus der mit dem Dopplereffekt über den Virialsatz  berechneten potenziellen Energie die Gesamtmasse des Haufens berechnen, also die Masse von allem, was im Haufen Schwerkraft erzeugt.

Zwicky erhielt für die Gesamtmasse des Comahaufens 70 Billionen Sonnenmassen.

Aus der Leuchtkraft der Galaxien kam er aber nur auf 70 Milliarden Sonnenmassen.

Das war eine Diskrepanz um den Faktor 1000.

Im Comahaufen steckt also nach Zwickys Beobachtungen 1000 Mal mehr Materie, die Schwerkraft erzeugt, als die, die wir in Form von leuchtenden Galaxien sehen.

Aus dieser gewaltigen Diskrepanz folgerte er die Existenz der Dunklen Materie, die bis zu sechsmal häufiger ist als normale Materie und genau wie diese die Schwerkraft erzeugt.

Anmerkung: Zwickys Faktor 1000 ist zu hoch. Ein Teil der Diskrepanz kann inzwischen durch intergalaktisches Gas und Zwerggalaxien erklärt werden.

Aber immer noch gilt: Die meiste Materie in einem Galaxienhaufen sehen wir nicht, es ist Dunkle Materie.

Im nächsten Post sehen wir, wie auch das 3.Keplersche Gesetz uns bei der Suche nach Dunkler Materie unterstützt.

 


Montag, 30. Mai 2022

P 128: Die kosmische Waage

 22.4 Massenbestimmung im Kosmos

Für die Sonnenmasse habt ihr es ja schon gemacht:

Umlaufszeit der Erde: 1 Jahr

Abstand der Erde r= 150 Millionen km.

Aber Achtung: P muss in Sekunden und r in Metern eingesetzt werden.

Wer das gemacht hat, erhält die richtige Sonnenmasse: M = 2*10^30 kg.

Jetzt müsste auch klar sein, wie man Massen im Kosmos bestimmt!

Was benötigt man?

Einen Körper, der die zu bestimmende Masse umläuft. Das kann ein Planet sein, das kann ein Mond sein, das kann ein Satellit sein, das kann ein Stern sein, der um das Zentrum der Milchstraße kreist, das kann eine Galaxie sein, die um eine andere kreist...

Wir brauchen immer die Umlaufszeit des Himmelskörpers und seinen Abstand zum Körper, dessen Masse wir berechnen wollen.

Das mit der Umlaufszeit ist schwierig, wenn ein Stern um das galaktische Zentrum kreist. Die Sonne braucht dazu 240 Millionen Jahre. Da kann man natürlich nicht warten...

Aber es gibt einen Effekt, den Dopplereffekt (den lernt ihr später kennen), mit dem kann man leicht Geschwindigkeiten von leuchtenden Objekten messen (und Geschwindigkeiten von  Autos in Radarfallen...). Kennt man die Umlaufsgeschwindigkeit v und den Abstand r, so erhält man die Umlaufsperiode P = 2* π  *r / v. Um den Abstand r, also den Bahnradius zu bestimmen, muss man allerdings die Entfernung kennen...

Also ganz so einfach ist die Massenbestimmung nicht...

Ein nicht allzu oft anwendbares Verfahren ist die sog. Gravitationsrotverschiebung: Wenn Licht von einem kompakten Objekt wegfliegt, wird es röter. Kennt man die ursprüngliche Farbe, so kann man aus der Rötung auf die Masse des Objektes schließen. Das geht insbesondere bei Weißen Zwergen.

Nun sollt ihr mal die ein oder andere Masse ausrechnen:

Wie groß ist die Masse des Jupiters?

Der Jupitermond Io umkreist den Jupiter in 1 Tag 18,5 Stunden in einem Abstand von 421600 km.

Wie groß ist die Masse der Erde?

Der Erdmond läuft in 27,3 Tage in einem mittleren Abstand von 384400 km um die Erde.

Wie groß ist die Masse des inneren Teil unserer Milchstraße?

Die Sonne läuft in 240 Millionen km in einem Abstand von 25 000 Lichtjahren um das Zentrum der Galaxis.

Der Stern S2 läuft in einem Abstand  von 4 Lichttagen in 16 Jahren um das Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis.

                           
(Bild: MPE)
                                                                  

Welche Masse hat das Schwarze Loch?

(Das Ergebnis entspricht nicht genau den bekannten Werten, da die Sternbahn eine stark abgeplattete Ellipse ist. Er nähert sich dem Schwarzen Loch bis auf 18 Milliarden km.)

Hier übrigens ein Bild der Umgebung des Schwarzen Loches, erst vor wenigen Wochen veröffentlicht: