11.4 Wie Masse entsteht
Am 4.7.2012 gaben die Forschenden des größten Experimentes, das die Menschheit je gemacht hat, die Entdeckung eines neuen Elementarteilchens bekannt. Es wurde am LargeHadronCollider LHC in Genf nach jahrelanger Suche gefunden. Es hat eine Masse von etwa 130 Protonenmassen.
Der britische theoretische Physiker Peter Higgs (*1929) hatte die Existenz dieses Elementarteilchens 1964 zusammen mit dem Belgier Francois Englert (*1932) sowie Robert Brout (1928-2011) logisch begründet und vorhergesagt.
Higgs (rechts im Bild) und Englert erhielten dafür am 8.10.2013 den Nobelpreis für Physik.
Was hat das mit unserem Thema Masse zu tun?
Das sogenannte Standardmodell der Elementarteilchenphysik hatte eine sehr seltsame Schwäche: Es konnte keinerlei Masse für die Bausteine unserer Welt angeben, ja eigentlich waren alle Elementarteilchen masselos.
Vor 60 Jahren aber entstand eine schier unglaubliche Idee: Unser gesamtes Universum ist mit einem Feld erfüllt, dem Higgs-Feld, wie man es heute nennt.
Ein Feld ist nichts anderes, als eine Eigenschaft in Raum und Zeit: Zu jedem Zeitpunkt und an allen Stellen gibt es diese Eigenschaft. Wir kennen elektrische Felder, Magnetfelder und das Gravitationsfeld.
Diese drei Felder sind alle gerichtet, die Kräfte, die sie ausüben zeigen zu Ursachen des Feldes, den Ladungen, den Magneten, den Massen.
Das Higgs-Feld ist ein sog. Skalarfeld, es hat keine Richtung...man kann es sich wie einen riesigen Schleim vorstellen, der gleichmäßig den gesamten Kosmos erfüllt.
In diesem Schleim müssen sich die masselosen Elementarteilchen bewegen. Das behindert sie.
Wir merken dass...die Teilchen sind träge, sie haben eine träge Masse. Und somit ist auch unsere Masse die Konsequenz daraus, dass sich die Bestandteile unserer Körper durch diesen Higgs-Schleim bewegen müssen.
Jedes Elementarteilchen koppelt nun auf eigene Weise an den Higgs-Schleim. Je stärker die Kopplung, desto träger ist es. Neutrinos koppeln wenig, Elektronen mehr, Lichtteilchen (Photonen) gar nicht...deshalb kann Licht so schnell sein.
Und weniger koppeln als gar nicht, geht nicht..deswegen ist nichts schneller als Licht.
Geht Licht durch Glas durch, koppelt es an die Atome und wird langsamer. Das führt zur Brechung.
Was ist nun das Higgs-Teilchen?
Jedes Feld (wahrscheinlich geht das nicht beim Gravitationsfeld) kann sich auf einen Raumpunkt zusammenziehen und dort ein Wechselwirkungsteilchen erzeugen. Das ist beim Higgs-Feld das Higgs-Teilchen.
Es gibt eine wunderschöne Veranschaulichung dieses Vorgangs (Bilder: CERN, Die Weltmaschine):
Stellen wir uns eine Party mit vielen Menschen vor, einige von uns können sich vielleicht noch an so etwas aus der Vor-Corona-Zeit erinnern...
Diese Menschen stellen das Higgs-Feld dar. Sie erfüllen den ganzen Raum.
Jetzt kommt eine bekannte Person zur Tür herein. Das ist ein masseloses Elementarteilchen.
Die Partygäste umringen diese Person, sie kann sich weniger gut durch den Raum bewegen. Sie wird träge.
So entsteht die Masse dieser Person. Das Elementarteilchen ist träge, bekommt eine messbare Masse.
Man kann aber auch einfach ein Gerücht in diesen Raum hineingeben. Die Partygäste geben es tuschelnd weiter und bilden kleine Konzentrationen von Menschen. Das wäre dann die Veranschaulichung des Higgs-Teilchens. Da auch diese Menschengruppierungen sich nur langsam durch den Raum bewegen (das Gerücht breitet sich langsam aus), erkennen wir auch dort eine Trägheit, also eine träge Masse. Das ist die gemessene Masse des Higgs-Teilchens.
Mehr wollen wir hier nicht machen.
Was sollt ihr mitnehmen?
Masse ist keine innere Eigenschaft der Objekte, sondern das Ergebnis von Wechselwirkungen:
Elektronen können mit den Atomen von Halbleitern in Wechselwirkung treten und erscheinen uns massereicher (das nennen wir effektive Masse)
Elementarteilchen wechselwirken mit dem Higgsfeld, vermittelt durch das Higgs-Teilchen, und erhalten ihre Masse. Das nennen wir träge Masse.
Was bleibt, ist der Begriff der schweren Masse.
Im letzten Post dieses Kapitels möchte ich zeigen, dass auch die schwere Masse das Ergebnis einer Wechselwirkung ist, der Wechselwirkung mit Raum und Zeit.
Dass die Wechselwirkungen von Objekten dieser Welt mit dem Higgs-Feld und mit Raum und Zeit zueinander proportional sind (also träge und schwere Masse gleich groß sind), bleibt eines der großen Geheimnisse unseres Kosmos.
Eure Generation oder die eurer Kinder muss das erklären...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen