Samstag, 23. Juli 2022

P159 Fotos der besonderen Art

 29.2 Momentbilder von Klaviersaiten

Um die weiteren Fragen klären zu können, müssen wir noch eine weitere Darstellungsmöglichkeit von Schwingungen kennenlernen:

Normalerweise stellen wir Schwingungen durch Weg-Zeit-Diagramme des Oszillators dar und können den zeitlichen Ablauf der Schwingung erkennen. Das ist wie eine Filmaufnahme

Bei Eigenschwingungen gibt es beliebig viele nebeneinander liegende Oszillatoren, die alle miteinander abgestimmt schwingen. Da ist es sinnvoller, mit Fotografien die momentane Auslenkung aller Oszillatoren festzuhalten. Auch da erkennt man Sinus-Kurven, es ist aber die Auslenkung verschiedener Oszillatoren  gegen ihren  Ort aufgetragen. Eben ein Bild, ein Momentbild.

Oft zeichnet man gestrichelt noch einige weitere Momentbilder in das gleiche Bild ein.

(Für später: Das ist eine typische Darstellung für eine Welle und wir erklären hier gerade Momentbilder einer stehenden Welle).

Die Stellen, an denen die Oszillatoren mit hoher Amplitude schwingen, nennt man Bauch der Eigenschwingung. Es gibt Stellen, an denen die Oszillatoren stillstehen. Das sind Knoten.

Knoten und Bauch bleiben immer fest an den Orten stehen.

Nun nehmen wir als Beispiel einmal ein Seil, dass fest an beiden Enden eingespannt ist.

Das wäre z.B. eine Klaviersaite oder eine Gitarrensaite.

Das Seil hat eine Eigenschwingung mit einer Eigenfrequenz. Das kann nur so funktionieren, dass an den Enden (man nennt sie feste Enden) der dort sitzende Oszillator immer in Ruhe ist, sich also ein Knoten befindet.

Dann "passt" nur noch ein Bauch dazwischen.

Damit dieser Bauch entsteht, müssen alle Oszillatoren synchron, wenn auch mit unterschiedlichen Amplituden, schwingen. Dass geht nur bei einer bestimmten Frequenz, sonst passt die Synchronisierung nicht. In diesem Bauch schwingen alle Teile der Saite gleichphasig.

Diese Frequenz hängt von der Geschwindigkeit c ab, mit der ein Signal sich längs des Seils ausbreiten kann (bei der Orgelpfeife ist es die Schallgeschwindigkeit) und von der Länge L des Seiles (der Pfeife):

Aus der bekannten Formel s = v*t erhalten wir L = c * t, dabei ist t = L/c die Zeit, die das Synchronisierungssignal (später sagt ihr: die Welle) braucht, um das Seil entlangzulaufen.

Damit sich die Grundschwindung einstellt, muss das Signal einmal zwischen den Knoten hin und her laufen. Die Periodendauer der Grundschwingung ist also P = 2*L/c.


Nun nehmen wir den Fall der ersten Oberschwingung. Synchrones Schwingen geht auch, wenn sich bei zwei festen Enden in der Mitte ebenfalls ein Knoten befindet. Da jetzt der Knotenabstand halbiert ist, benötigt das Synchronisierungssignal zwischen zwei Knoten nur noch die halbe Zeit: Die Periodendauer hat sich halbiert, die Frequenz der ersten Oberschwingung verdoppelt. Der Oberton ist eine Oktave höher.

Es gibt zwei Bäuche, in denen die Saitenteile gegenphasig zueinander schwingen. Das gilt auch bei höheren Oberschwingungen.

Aus dem Begleitmaterial der Lerninseln vom FutureSpace (H.Schneider)

In einer unserer Lerninseln haben wir auch einen Versuch dazu aufgebaut:




Eine Saite schwingt immer in der Grundschwingung und ihren Oberschwingungen. Welche Oberschwingungen wie stark vorkommen, wird durch die Eigenart der Saite festgelegt. So entstehen die unterschiedlichen Klängen von Klavier, Gitarre, Geige...

Und die tiefsten Grundschwingungen der Klaviertasten "ganz links" kann das Klavier gar nicht physikalisch erzeugen. Aber unser Gehirn berechnet die Grundfrequenzen aus den Oberschwingungen und lässt uns den richtigen Grundton "hören". Wir hören Töne, die es nicht gibt...

Siehe auch: 27.4.4 in Post P153:

Atome des Klangs

Im nächsten Post schauen wir nun konkret auf Orgelpfeifen, die haben auf keinen Fall zwei feste Enden, trivial (und zu sehr vereinfacht, aber dennoch hilfreich) gesagt: die Luft muss ja rein und der Ton raus kommen....



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